Freitag, 25. Juli 2025

Nutella zu flüssig

Pausentag in Kayseri. Livio hatte schon länger einen Hammambesuch im Sinn. Es sollte ein traditionelle nicht touristifiziertes sein. Nun setzten wir diesen Plan um. So wurden wir nach der Sauna, welche eher ein Dampfbad war, geschrubbt, eingeseift und massiert so dass wir fast vom Marmor-Tisch flutschten.
Die restliche Zeit in Kayseri verbrachten wir mit Essen, Wäsche waschen (lassen), Essen, Ausruhen, Essen, Ausruhen. So waren wir am 18. Juli nach dem Frühstück wieder bereit für die nächste Etappe nach Kappadokien. Wir starteten gemütlich und rollten mit Rückenwindhilfe ziemlich einfach bis Incesu. Dort kauften wir ein und machten bei der Moschee Pause. Aber noch vor dem Mittag pedalten wir noch ein paar Kilometer weiter an einen Stausee mit Picknickanlage, wo wir die Mittagswärme ausassen.

Dauerbewohner (hinten), Besucher (vorne)

Am späten Nachmittag mit der abnehmenden Wärme fuhren wir über die kleine Strasse weiter hoch, über eine Ebene, steil rauf durch ein Dorf bis zu einem Aussichtspunkt wo wir einen ersten Blick über Kappadokien erhaschten. Da entschieden wir weiter zu fahren, um einen Zeltplatz zu finden, wo wir am am Morgen den vielen Luftballonen zuschauen. Auf OSM hat es mehrere solche eingetragen.
Vor Ort fanden wir dann einen super Platz mit Aussicht und etwas ab vom Hauptsonnenuntergangsspot.


So kochten wir ganz gemütlich unser Znacht und konnten in der Ferne Regenstreifen beobachten. Dies beunruhigte uns aber nur unerheblich, da die Regenfront nur ganz langsam zu bewegen schien. Während Chregu abwusch, fing Livio an das Zelt aufzubauen, da es nun doch so aussah, dass wir ins Gewitter geraten könnten und wir einen trockenen Ort haben wollten. Wir sahen von weitem weisse Streifen in der Luft und gingen, wie in der Schweiz, davon aus, dass es intensiver Regen ist. Als dann der Wind bei uns angekommen war, war klar was es ist: aufgewirbelter Sand und Staub ist. Und ausserdem war der Wind so böig, dass wir sehr schnell realisierten, dass wir das Zelt statt fertig aufbauen, schnellstens wieder abbauen und versorgen müssen umd Schäden zu verhindern. Daher rettete Chregu, teilweise etwas überfordert mit der Priorisierung, alle möglichen Utensilien, während Livio sich zuerst auf das Zelt schmiss um es vom wegfliegen abzuhalten und sich dann abmühte um es wieder in die Sagosche zu bugsieren. Als wir alles wieder auf den Velos hatten, fuhren wir ein paar hundert Meter immer noch im vollen Sandsturm zurück zur Strasse und zu einem Hüttlein, wo wir auf der Windabgewandten Seite Schutz vor dem Wind, Sand und den herumgewirbelten Sträuchern suchten. 

 

Da das Radarbild anzeigte, dass das Gewitter immer noch langsam unterwegs ist und somit noch lange sein Unwesen treiben würde, entschieden wir notbedürftig die rund 2km ins nächste Dorf nach Ortahisar zu fahren und dort in ein Hotel zu gehen.
Dort angekommen, war der Wind schwächer dafür regnete es die ersten Tropfen.
Im Hotel wurde dann auch das Ausmass des Staubes klar, Chregus Lenkertasche war innen wie paniert, da sie zwei, drei mal kurz offen war. Zum Glück aber sah es in den anderen Gepückstücken recht OK aus. Auch die Materialkontrolle ergab positives. Es fehlte nichts.
Da das Gewitter entweder noch nicht oder doch nicht so richtig eingetroffen war, es regnete auf jeden Fall auch nach der Dusche nicht, machten wir uns auf und gönnten uns im Dorf ein Bier mit Aussicht auf die Blitze.

Um die, für Kappadokien so berühmten, Heissluftballone zu sehen, standen wir früh auf, schnappten Nutella und Brot sowie unsere Campingstühle und pedalten mit den sonst unbeladenen Velos zurück zum Aussichtspunkt. Pünktlich auf den rechnerischen Sonnenaufgang starten die ersten Ballone. Die Sonne war aber leider hinter den Wolken...
Die Ersten konnten wir noch einfach zählen, als dann aber 30, 40 oder 50 waren wurde das Zählen immer ungenauer. Nach etwa einer Stunde landeten die ersten wieder und wir hatten rund 80 Ballone gezählt, wobei an den Startplätzen immer noch einige volle, aber nicht gestartete sichtbar waren.


Wir fuhren zurück ins Hotel und gönnten uns nochmals eine Mütze voll Schlaf.

Ausgeruht kurbelten wir danach in Richtung Göreme, einer der Hauptattraktionen in Kappadokien. Dazu hatten wir eine "Strasse" ausgesucht welche, laut Luftbild, direkt durch einige der, für Kappadokien so berühmten, Felsformationen führt. Vor Ort wurde die Strasse schnell zum Karrweg und irgendwann so mussten wir sogar das Gepäck einzel runtertragen, da die einzige fahrbare Rinne so tief im Sandstein eingeschnitten ist, dass unsere beladenen Drahtesel nicht mehr durchpassten. 


abladen

durcheiern

Wir fanden in einem der vielen "Türme" ein Eingang hinter welchem sich mehrere Räume auf zwei Stockwerken verbargen. Ganz Kappadokien ist voll von solchen Sandstein-Türmen und verschiedensten darin einhauenen Löcher und Räume.


sturer Esel (l.) normaler Esel (r.)

Nach der Erkundungstour fuhren wir zur Busstation Göreme, wo wir eine Busfahrt nach Istanbul für die nächste Nacht organisierten. Den Rest des Tages verbrachten wir, immer möglichst schattensuchend im Dorf (Erinnerung: Temperatur immer noch um die 40 Celsius). Dabei konnten wir unsere Essenscheckliste der Türkei fertig abarbeiten. Ein Punkt auf der Liste war der Testi-Kebap, ein in einem Ton-Töpfchen langsam gekochter Fleisch-Eintopf serviert mit Reis. Dies ist die Spezialigät der Region.
Göreme und ganz Kappadokien sind geprägt durch intensiven Tourismus. Daher sind die Preise einiges höher, die Gebäude und Strassen sind besser in Schuss und die Interaktionen mit den Türken ist, mindestens auf den zweiten Blick, immer geprägt von der Möglichkeit eines Geschäfts.

Überpünktlich trafen wir an der Busstation ein und bereiteten unsere Velos nach den Vorgaben des anwesenden Mitarbeiters der Busfirma vor. (Vorderrad ausbauen, Sattel tieferstellen) Dies mit der Idee unnötiger Stress beim Einladen zu verhindern.
Wir hofften darauf, dass der Mann genügend Erfahrung hat und uns beim Einladen gegenüber der Buscrew unterstützen würde. Pünktlich als der Bus dann kam, war er dann aber verschwunden. Weil die Velos nicht so wie von der Buscrew gewünscht ins Gepäckabteil passten kam der befürchtete Stress auf aber nach etwas hin und her und mehreren Versuchen klappte es dennoch und alles unser Gepäck war sauber verstaut.
Die Fahrt durch die Nacht war, so gut wie eine nächtliche Busfahrt sein kann. Man schläft, aber nicht so richtig, die Bio-Pause in der 24/7 - Raststätte ist sureal, aber man kommt voran. Chregus kleine Highlight der Fahrt, die Überquerung des Bosporuses über die neuste und nördlichste Brücke kurz nach Sonnenaufgang, verschlief Livio. Auf jeden Fall trafen wir nach rund 10 Stunden Fahrt  pünktlich in Istanbul auf dem riesigen Busterminal Esenler Otogarı ein. Der einzige Schaden den wir verzeichnen mussten, war, dass der Sensor vom Livios Velocomputer abgebrochen war.
Die Weiterfahrt nach Edirne organiserte uns irgendjemand, welcher uns angesprochen hatte. So kamen wir sehr schnell zu einem Bus in welchem wir die Velos zusammengebaut und ohne Stress selber einladen durften. Als wir dann mit Ticket ausgestattet im Bus sassen wollte der Helfer, mehr oder weniger überraschend, Geld für seine Dienste. Er war zufrieden mit den von uns angebotenen 100TL (ca. 2Fr.). Das war die Hilfe eigentlich auch wert. Denn ohne diese Hilfe wären wir nie so schnell umgestiegen.
In Edrine angekommen, kurbelten wir in die Stadt, assen zMittag und fuhren danach zu einem Velomech für eine Notfallersatzvelocomputer.
Da wir entdeckt hatten, dass wir auch einen Zipfel Griechenland in Richtung Bulgarien fahren können, fuhren wir in Edirne also etwas südlich um bei Kastanies in den Schengenraum und die EU einzureisen. In unsere Richtung war es eine kurze Sache in die Gegenrichtung gab es einiges an Wartezeiten. Die ärgste Hitze warteten wir im Dorf ab und konnten dem Wachsen der Autoschlange zuschauen.
Für das Znacht fuhren wir nach Dikaia und assen dort im Restaurant unser einziges griechisches Essen. Nur wenige Kilometer danach hatte Livio online einen kleine Park auskundschaftet wo wir zelteten.

Am Morgen ging es weiter zur griechisch-bulgarischen Grenzübergang.

Da konnten wir ohne Kontrolle durchfahren, da Bulgarien seit Anfang Jahr auch im Schengenraum ist.
Der weitere Verlauf in Richtung Nordwesten ist schnell erzählt: früh aufstehen, möglichst Kilometer vor dem Mittag machen. In der am Schatten die Hitze aushocken (am besten mit Springbrunnen in der Nähe zur regelmäasigen Kühlung), Essen, gegen Abend nochmals weiterheizen und irgendwo zelten.

feinster gekühlter Schwarzer

super Dusche auch genannt: Springbrunnen

Die Haupstrasse in Richtung Sofia ist sehr flach, meist von Bäumen gesäumt und breit genug, dass wir gut mit dem Verkehr zurecht kommen. So fuhren wir via Chaskowo, Plowdiw und Pasardschik bis Belovo. Unterwegs versuchen wir auf verschiedene Art und Weise uns kühl zu halten: der giessende Gärtner dazuzubringen uns nass zu spritzen, Baden im Bewässerungskanal mit den Einheimischen und immer wieder: T-Shirt am Wasserhahn nässen und als Veloklimaanlage nutzen.

verboten

oder doch nicht?

Oberhalb Belovo hatte Livio eine Art Campingplatz entdeckt. Vor Ort stellte sich dann leider heraus, dass die Betreiber in den Ferien sind und wir somit einen Wildzeltplatz suchen mussten. Das gelang sehr schnell am Dorfrand auf einem abgeernten Feld. Zur Übernachtung brauchten wir aber noch Wasser wozu Chregu ins Dorf fuhr und fand zwischen Dorfbeiz und Kampfjetdenkmal einen Wasserhahn. Somit wusste nun das ganze Dorf, dass da mindestens ein Velofahrer irgendwo übernachtet. Das Gegenteil von gedeckt - getarnt. Aber da die Bulgaren bis jetzt zurückhaltend freundlich waren "befürchteten" wir allerhöchstens eine Einladung zum Bier oder so ;-)


Am Morgen gings zuerst wieder runter an die grosse Strasse und weiter in Richtung Sofia. Nun aber nicht mehr durch die landwirtschaftliche Fläche, sondern in einem Tal das sich Bach, Bahnlinie und Strasse teilen. Es ging auch endlich wieder mal richtig aufwärts. In Kostenets stoppten wir, wie schon mehrmals in Bulgarien, an einer Blätterteigbäckerei, welche gefüllte Gebäcke anbietet und von den Einheimischen zum Frühstück offensichtlich sehr geschätzt wird. Denn diese Bäckereien sind an den auf der Strasse parkierten Autos bestens erkennbar.

Via "Dolna banya" erreichten wir Samokow über zwei kleinere Pässe und kauften dort ein. Einmal mehr eine Stadt mit grosser Fussgängerzone und Pärken welche von den Einheimischen belebt werden. An den Stadträndern sind es dann aber eher grosse Betonwohnblöcke in zweifelhaften Zustand welche das Bild prägen.

 

recht sauberes Gebastel

Unterwegs kreuzten wir mehrere Veloreisende und tauscheten Informationen und Geschichten aus. Entweder war es die Nähe zum Engpass Istanbul oder die Tatsache, das wir nun viel näher an Westeuropa waren, der Grund, dass wir gegenüber der Zeit in der Türkei viel mehr Gleichgesinnte trafen.

Den Nachmittag und Abend verbrachten wir auf dem Berg "St. Peter" zwischen Belchin und Klisura wo wir uns in einer Wanderbeiz verpflegen liessen und dank der Höhe von fast 1200 m.ü.M. eine etwas kühlere Zeit hatten. Die letzten rund 250 Höhenmeter waren aber harte Arbeit, da die Strasse sehr steil und im oberen Teil auch nur noch Schotter war. Der Zeltplatz auf dem Gipfel war die Mühe wert. Mit Unterstand, Aussicht, Tisch und Bänke, guter Zeltwiese und sogar Wasser war so ziemlich alles nötige vorhanden.

Die steile Abfahrt am Morgen direkt nach Süden war technisch fordernd, da sandig „chruutig" und steil. Wieder auf der Strasse flogen wir dank Gefälle, Rückenwind und gutem Strassenzustand nach Dupniza. Blätterteigbäckerei, Flüssigzucker, WC und schnell weiter um die Kühle des Morgens zu nutzen. Durch die hügelige und trockene Landschaft fuhren wir über mehrere grössere und kleinere Wellen. Immer die Sonne im Rücken, daher muss Chregu zum einstellen seiner Geschwindigkeit zum Windschattenfahren kaum ein Blick nach hinten werfen, sondern kann Livios Abstand auf der Strasse am Schatten ablesen. Das Windschattenfahren hatten wir schon auf der letzten Veloreise perfektioniert und auch jetzt wurde es wieder auf die Spitze getrieben. Das Müdigkeitslevel von Livio korreliert auch direkt mit der Anzahl Touchierungen mit Chregus Hinterrad.
Um Zuhause keine Sorgen aukommen zu lassen verzichten wir hier auf das Angeben von Tempos und effektiven Radabständen..

In Kjustendil wechselten wir die übrig gebliebenen Bulgarische Lews (oder für Livio Lerrys) in Mazedonische Denar um und verprassten die allerletzten Lew im Supermarkt. Beladen mit Lunch und Znacht sowie Cola kraxelten wir hinauf aus der Stadt raus in die Mittagshitze. Wir hatten noch rund 700 Höhenmeter vor uns, bis wir auf dem Pass den Grenzübergang zu Montenegro erreichten. Als dann bei einer Pause von weither ein alter Sowjetlastwagen hör und sehbar sehr langsam den Hang hinaufkämpfte entschieden wir uns für ein Lastwagentaxi. Wir konnten problemlos anhängen, aber der Fahrer bemerkte wohl nur Chregu auf der linken Seite und wollte ihm genügend Platz geben, auf jeden Fall fuhr er zu weit nach rechts und drückte so Livio auf der rechten Seite ins Kies, was zum Sturz führte.
Die Schürfungen säuberten und verarzteten wir am Strassenrand. Für diejenigen die Livio etwas kennen: Diesmal ist WIRKLICH nichts gebrochen (Für die übrigen: Siehe letzter Blog Kaukasus/Iran 2018). Als wir fertig waren fuhr der Lastwagen schon wieder talwärts. Wir hätten also so oder so nicht so weit mitfahren können.


So erreichten wir den Grenzübergang in eigener Kraft. Der Grenzübertritt ging absolut problemlos. Bei der Einreise gab es sogar einen Stempel in den Pass. Auf der Mazedonischen Seite geht es steil, mit grossen Kurven und somit schnell hinunter.
Dabei verbrauchten wir die ersten Denar für eine Glace bei einer Strassenbeiz, wo wir auch weiter überlegten wie weit wir noch fahren sollen. Die Idee, unser Nebenprojekt einer 200km-Etappe, zu realisieren liessen wir dann doch sein. So hätten wir Skopje noch am gleichen Tag erreicht. Wegen eines Onlinetermins von Livio wollten wir aber tagsdarauf in Skopje sein. Bis dahin hatten wir von Mazedonien vor allem Wald gesehen. Das Gelände war hügelig und vollständig bewachsen.
In Kriva Palanka harrten wir den heissesten Teil des Tages aus und schauten uns den Park entlang des Bachs an, um einen Zeltplatz  zu finden. Dabei assen wir unser Lunch, gingen Baden, tranken ein Bier, schauten Tour de France (diese Velofahrer mit den verdammt leichten Velos :-D ) und kochten unser Znacht. Während dem Znacht drehte der Wind von Gegen- auf Rückenwind und daher kam die Idee auf doch noch in den Abend hineinzufahren. Die Strasse führte uns entlang des Bachs wunderbar geschlängelt durchs Tal und wir kamen rasch voran. Die Zeltplatzsuche war dann aber nicht ganz einfach und so stellten wir unser Haus erst nach dem Sonnenuntergang auf. Mückenmässig war es bis jetzt wohl der schlimmste Zeltplatz, auf jeden Fall waren es hunderte Insekten welche zwischen Innen- und Aussenzelt Lärm veranstalteten. Die wenigen die es bis zu uns hineinschafften bezahlten diese Tat mit dem Leben...

Die Fahrt nach Skopje war dann problemlos. Auffallend: Sehr viele Autos mit Schweizer Nummernschild. In Kumanovo füllten wir in der mazendonischen Ausgabe der Blätterteigbäckerei unsere Energie auf und kurbelten rasch weiter um vor der Hitze Skopje zu errreichen. Die letzten Kilometer folgten wir dem Fluss Vardar auf dem  Veloweg welcher Chregu von 2013 kannte. Der Zustand ist OK, aber hatte sich in den letzten 12 Jahren doch überraschend stark verschlechtert.

Donnerstag, 17. Juli 2025

Fligus Stechaea anadolus est

Nach Geburtstagtorte, Kebab und Bier in Erzincan genossen wir die Nacht im klimatisierten Hotelzimmer. Nach dem Frühstück beluden wir unsere Velos und rollten aus der Hotellobby. Aber nur gerade wenige Meter weit, denn Chregu bemerkte, dass zu wenig Luft in seinem Vorderpneu ist. Also, alles Gepäck wieder abbauen, Vorderrad raus, Pneu demontieren, Übeltäter (Draht) finden, Loch flicken und alles wieder zusammenbauen. Livio organisiert unterdessen das Brot fürs Zmittag. Danach radelten wir aus Erzincan in Richtung Südwesten, um dem Fluss Euphrat zu folgen. Die Strasse und die Bahnlinie begleiten den Fluss mehr oder weniger eng. Die Bahnlinie höhenmetersparend durch Tunnel. Die Strasse teilweise gnadenlos in gerader Linie über die Hügel hinweg.


Der Euphrat, oder türkisch Firat, fliesst in diesem Abschnitt frei duch die Landschaft und wird nur durch mehrere steile felsige Schluchten eingeengt. Ein landschaftlich absolut lohnender Abschnitt.

Livio hatte im Voraus eine Picknick-Anlage auf GoogleMaps entdeckt, welche vielversprechend aussah. Vor Ort stellte sich es sich dann als absoluter Glücksfall heraus. Es fliesst sehr viel Quellwasser in verschiedensten kleinen Bächen durch die Anlage und dank Bäümen ist es wunderbar schattig. Livio redet vom "Himmel auf Erden" im Gegensatz zur höllischen Hitze auf der Strasse (Laut Meteo 42 °C…). So entkamen wir für ein paar Stunden der Wärme. Wir assen unser Zmittag: Gurken, Frischkäse, Chips und Brot. Danach steckten wir unsere Köpfe in die Karte, um die weitere Route zu verfeinern. 

 

Livios Idee ab Kemah den Zug  zu nehmen und somit die spannende Bahnline zu befahren, gefiel Chregu natürlich. Die Recherche online brachte zwar zu Tage, dass der Velotransport offiziell nur für Faltvelos möglich sei, wir wollten es trotzem probieren. Also verliessen wir die kühle Oase der Picknick-Anlage und rollten die letzten Kilometer nach Kemah, kauften ein und platzierten uns am Bahnhof. Vor Ort wurde uns mitgeteilt, dass der Schaffner entscheide. Das hatten wir vermutet und standen also auf dem schmalen Perron parat. Als der Dieselzug heranzuckelte, fragte die Stationsvorständin das Zugspersonal ob wir mitfahren können. Das wurde bejaht und wir durften unsere voll beladenen Velos in den Zug hieven. Die beiden Kondukteure halfen uns beim verstauen des Gepäcks und schlossen sogar eine Tür ab, dass wir dort unsere Velos deponieren konnten.
Die knapp zweistündige Fahrt war spannend und führte immer direkt dem Fluss entlang. Dank verschiedenen freien Sitzen konnten wir uns jeweils die spannendere Seite auswählen.

Im Bahnhof Çaltı angekommen, luden wir wieder alles aus und Chregu musste sein Vorderpneu aufpumpen, schon beim Einsteigen hatte er einen weiteren Platten bemerkt.
Nur wenige Kilometer weiter fanden wir einen super Zeltplatz direkt am Bach. Also gingen wir erst einmal baden. Herrlich eine solche Abkühlung.
Chregu fand danach ein weiteres Loch im vorderen Schlauch. Vielleicht kommt ein über 10jähriger Pneu mit gut 28000km doch nicht mehr so gut mit den türkischen Strassen zurecht...
Bevor wir ins Bett gingen, genossen wir ein weiters Bad im Fluss und konnten so wunderbar sauber in die frisch gewaschenen Seidenschlafsäcke schlüpfen.

Am Morgen standen wir so früh auf, dass wir im ersten Tageslicht schon auf den Velos sassen. So erlebten wir den Sonnaufgang auf dem ersten Pass für heute. 


Wir waren unterwegs in Richtung Süden zum Karanlık Kanyon. Hier fliesst der Euphrat durch eine enge Schlucht und paralell dazu wurde eine Strasse in den Fels gehauen. Genau diese Strasse befuhren wir und konnten so dutzende wunderbare Ausblicke in den Canyon geniessen.
Vielen Dank an Sandro für den Tipp.






Bouldereinlage für einen Geocache

Im Dorf Kemaliye angekommen fühlten wir uns wie man sich z.B. in Zermatt fühlt. Alles ist herausgeputzt, neu, viele können Englisch, es hat viele Hotels, ...
Da es erst 8 Uhr ist, assen wir, klassisch für die Türkei, eine Corba (Suppe) zum Frühstück und kauften für den Tag ein.

Livio sucht das "Satilik" (zu verkaufen) - Schild...

Um vor der allzugrossen Hitze noch einige Kilometer zu machen, fuhren wir rasch wieder los und kurbelten aus dem Ort über einige Wellen und Hügel durch die Landschaft, immer rechts vom Euphrat, unterschiedlich hoch am Hang. Immer wieder ergaben sich spannende Ausblicke.
Der letzte Aufstieg zu einem Pass (Dutluca Geçidi, 1200m) forderte uns ziemlich, da er mit ~400hm zwar  nicht wahnwinnig hoch ist, aber recht steil und vorallem heiss, da es Mittag war und kaum schatzenspendende Bäume vorhanden waren (Laut Meteo immer noch >40°C). Chregu kam in die seltene Hungersituation, dass er instantan etwas essen musste, an ein weiterfahren war nicht zu denken. So vertilgten wir in kurzer Zeit eine Box Frischkäse und eineinhalb Fladenbrote.
Auf dem Pass angekommen, konnten wir zur nächsten Gartenbeiz rollen und uns da mit Köfte und Dondurma (Glace) verwöhnen lassen. Wobei uns die Stech-Fliegen dann irgendwann doch wieder aufs Velo trieben. Wir hatten einen Canyon im Visier, wo wir planten zu zelten. Vor Ort stellte sich dann heraus, dass es ein wirklicher Camping am Bach ist, wo Dutzende bis Hunderte Türken sich für das Wochenende am einrichten waren. Einige sind offensichtlich sehr viel da, denn ihre Zelte sind fix und es stehen Möbel und Kühlschränke herum.
Nach einem Bad im Bach suchten wir uns einen Platz, kochten und krochen einigermassen früh ins Zelt. Die Nachbarn hielten uns aber mit Musik und Licht mehr oder weniger vom Schlafen ab. 


Ganz so früh wie am Vortag konnten wir nicht starten, da wir sonst in Arapgirnur geschlossene Läden vorgefunden hätten. So fuhren wir, nach dem Einkaufen, auf den ersten Pass in Richtung Divriği, machten unterdessen Halt in einer Strassenbeiz, wo wir mehr durch die Tischnachbarn, als durch die Beiz verpflegt wurden. 

 

Einer der vielen Wasserspender unterwegs

Noch vor dem Mittag überquerten wir den Pass und rollten steil hinunter an den Bach (witzigerweise wieder jener an welchem wir die letzte Nach übernachtet hatten.) Wir suchten ein Schattenplatz und gingen Baden. Der Nachmittag floss so dahin und wir versuchte uns vor der Hitze zu verstecken und uns vor den Stechflliegen zu schützen. Nach weiteren Abkühlungen im Bach kochten wir dann unser Znacht um danach, in der etwas kühleren Abendluft, noch auf den nächsten Pass zu radeln. Dort fanden wir, schon nach dem Sonnenuntergang, aber noch immer in der wunderschönen Abenddämmerung, einen super Zeltplatz unter einem Hochspannugsmast.

Langsamverkehr


Am Morgen vom 13. Juli konnten wir also zuerst runter rollen, mussten aber noch über weitere grosse Wellen bis wir Divriği erreichten. Dort assen wir eine Corba zum Frühstück, besuchten die grosse Moschee und kauften ein um rund 10 Kilometern in Richtung Kengal an einem Bach den Mittag und Nachmittag zu verbringen. Diesmal kämpften wir mit dem Innenzelt gegen die, zwar eher wenig vorhandenen, aber dennoch nervigen Fliegen. Im Kampf gegen die Hitze (38-40°C) übernahmen wir die Technik, welche wir zwei Tage vorher einigen Türken abgeschaut hatten und setzten uns mit den Stühlen direkt in den Bach. Während der Pause wurden wir von "Nachbarn" aus seinem Garten versorgt. Leider waren wir entweder überfordert von der Menge einer ganzen Honigwabe oder das gereichte Obst war so sauer und mehlig, dass wir es beim besten Willen nicht essen konnten.
Nach dem Znacht, das diesmal mit Kartoffeln, Tomate und Geschnetzeltem exquisit ausfiel, fuhren wir noch in den Abend hinein um den letzten grösseren Pass bis Kangan noch zum Teil zu erklimmen. Aus dem gemütlichen Abendpedalen wurde rasch eine Sprintveranstaltung, da wir mehrmals erfolglos ansetzten um an Lastwagen anzhängen. Erst als Livio einem Fahrer mit Zeichen gesagt hatte, was wir vorhaben, klappte es. Der Fahrer hielt kurz an, und so konnten wir und für die nächsten Kilometer ziehen lassen. Im Eindunklen suchten wir uns eine Zeltplatz aus und genossen den Sternenhimmel.

Die letzten Höhenmeter bis zum Pass (Karasar Geçidi) kurbelten wir dann im ersten Sonnenlicht. Danach ging es rassiger weiter als an den Vortagen. Die Höhenmeter pro 100km sanken von rund 2000 auf rund 1000.

Es blieb somit hüglig und die typisch türkischen Wellen sind weiterhin fies, aber seltener und kleiner. Wir erreichten Kangal, assen, wie schon öfters, eine Corba, dranken Cay. Um der Hitze (~40°C) zu entfliehen verschoben wir uns in die Hauptmoschee des Ortes und verliessen sie nur zu den Gebetszeiten, wobei wir dann jeweils dem Glauben der Veloreisenden fröhnten und uns Energie zuführten in Form von Kebap, Ayran, Cay, Cola und Baklava. Es scheint die beste Variante zu sein, um fliegenfrei auszuruhen. Ausserdem ist die Landschaft hier so karg, dass Schatten sehr rar ist. Schatten am oder im badetauglichen Wasser so oder so. Als das Nachmittagsgebet anstand, gingen wir zum dritten Mal in dem gleichen Kebap-Laden und vervollständigten unser "durch die Karte essen" fast. 

frisch gestapelter Kebap

Danach in den A101 Supermarkt (unser Favorit) um das nötige Essen für die Fahrt bis zum nächsten grösseren Ort zu kaufen. Beim Bezahlen kam die, übliche, Frage nach unserer Herkunft? İsviçre als Antwort war der Anfang eines witzigen Gesprächs über ihre Herkunft und die umliegenden Orte. Z.b dass wir in Divriği eine spektakuläre Plattform mit Glasboden über einer Schlucht verpasst hatten. Aber es wäre zu heiss gewesen, um dorthinauf zu fahren als wir dort waren... Auf jeden Fall eine weitere fröhliche Begegnung.

Nach dem Pumpen der Räder beim Otolastik (Pneuhaus) kurbelten wir über mehrere Wellen und hatten für die erste 7 Kilometern etwas mit dem Verkehr zu kämpfen. Danach bogen wir ab und konnten das Gefälle und der leicht von hinten kommende Wind wunderbar in Tempo umsetzen. Immer weiter in Richtung Südwesten hatten wir eine kleine Strasse ausgesucht. Es hatte wenig Verkehr, die Temperatur war auf angenehme 30°C gesunken (wie man sich doch irgendwie eingewöhnen kann...) und der Wind half meistens. So rollten wir durch das offene Acker- und Weideland.
Ein entgegenkommendes Auto verlangsamte als die Fahrer uns erblickten und zeigte uns wir sollen anhalten. Als erstes, tauchte ein Glas Cola aus dem Fahrerfenster auf. Das zweite folgte sogleich. Ein kurzes Gespräch, ein Selfie zusammen, Instagram Accounts austauschen und schon war der "Spuck" vorbei. Doch nicht ganz. Kurz darauf heulte der Rückwärtsgang des Autos auf,  wir verlangsamten und wurden dann links, rückwärts überholt. Das aus dem Auto gestreckte Natel offenbarte die Absicht und so modelten wir so gut es geht für ein Foto.

 


Mit einem breiten Lächeln über die schöne Begegnung pedalten wir noch durch das Dorf Kuşkayası und fanden kurz danach einen guten und fast insektenfreien Zeltplatz.
Nach dem Frühstück mit Sonnenaufgang fuhren wir los und schon bald verwandelte sich die Strasse immer mehr zur Piste. Für die nächsten gut 20 Kilometern war unsere Konzentration speziell gefordert um die grössten Schlaglöcher zu vermeiden. Neben uns zogen Felder mit relativ aufwändig bewässerten Peperonis oder Getreide vorbei. Verkehr hatte es bis auf ganz wenige Autos und zwei Sattelschlepper keinen. Je mehr wir in Richtung Westen kamen, desto besse wurde der Belag. Zurück auf der grossen Vierspurigen Strasse (D300) legten wir dank Rückenwind und grundsätzlichen Gefälle die rund 40 Kilometer bis Pınarbaşı im Geschwindigkeitsrausch zurück. Und einmal mehr erkannten wir, dass es kaum flache türkische Strassen gibt. Immer wieder mit >50km/h hinunter und geradewegs auf der anderen Seite wieder hinauf, natürlich entsprechend langsamer. Im der Stadt angekommen, das gleiche Programm wie in den letzten Tagen: uns etwas waschen in der Mosche, Corba zum Frühstück und dann Schattenplatz finden gegen die Hitze. Diesmal ein Park bei einer Quelle. Fliegenarm, aber nicht ganz Fliegenlos.

Gegen Abend starteten alle um uns lagernden Türken ihre Grilladen. Wir spöttelten schon, ob wir vielleicht auf das Znacht im Kebap-Laden verzichten könnten, vor allem beim Anblick der zubereiteten Mengen. Und es kam so: vom der einen Seite ein Brot gefüllt mit Shish-Kebap, von der anderen ein Teller mit Fleisch, dazu von der ersten Seite Cola dazu. Am Schluss bekamen wir auch noch Kuchen.

Immer wieder schön, diese unkomplizierte Gastfreundschaft, da könnten wir Schweizer noch einiges abschauen.
Rund 30 Kilometer weiter fanden wir einen passenden Zeltplatz an einem Bewässerungskanal.


Die letzten 60 Kilometer nach Kayseri waren unspektakulär. Nur gerade, dass wir erst an der dritten Raststätte einen Cay bekamen, liess uns etwas ratlos zurück...
Und Chregu hatte bei der Einfahrt in die Stadt einen Platten. Wie immer ein Draht der sich durch den Pneu gearbeitet hatte.

Ausserdem: Die Ostanatolische Stechfliege und deren biologischer Name sind erfunden, wenn auch beruhend auf einer (oder vielen) wahren Begegnungen.

Mittwoch, 9. Juli 2025

Von der Vernunft zur D915

Von Rize aus fuhren wir weitere 28km entlang der Küste nach Of. Dort entschieden wir uns definitiv dafür in Richtung Bayburt abzuzweigen. Also kauften wir in Of ein und starteten in den Aufstieg von gesammthaft rund 2300hm. Nachdem wir die letzten Tage seit der Knie-Schonungs-Pause sehr vernünftig waren und versucht haben nur langsam die Anzahl Kilometer und Höhenmeter pro Tag zu steigern, sollte dies der Test werden ob das Knie wirklich hält. Beiden war bewusst das dies eventuell nicht mehr die Knietechnisch vernünftigste Entscheidung war (siehe Recherche zur Strasse weiter unten), aber das Abentuer lockte und die Alternativen waren nicht viel harmloser.

Die Landschaft ins Tal hinein ist weiterhin von Teeplantagen und fast dschungelartigen Bewuchs geprägt. Die vielen Teefabriken zeugen von der wirtschaftlichen Bedeutung der Pflanze im der Region.
In einem der Dörfer wollten wir unsere Wasservorräte auffüllen und wurden dabei von einem Regenschauer überrascht. Daher flüchteten wir in eine der Teestuben und wurden dort mit (gebrochenem) Schweizerdeutsch angesprochen. Ein Türke, welcher Jahrzehnte in Wädenswil gearbeitet hatte, war auf Besuch in seinem Heimatdorf. Er fragte uns aus und wir versuchten möglichst viele Infos von ihm zu erhalten, aber die Adaption vom Autofahrerdenken zum Veloreisedenken klappte nicht so gut. Der empfohlene Zeltplatz lag mit rund 30km und 1000hm auf jeden Fall zu weit weg.

Nach dem Regenschauer suchten wir uns wenige Kilometer weiter an einem geschlossenen Strassenabschnitt einen brauchbaren Zeltplatz. Da es einen weiteren Regenschauer gab, verkrochen wir uns ins schon aufgestellte Aussenzelt und konnten so in Trockenheit in unseren Campingstühlen ausruhen.
Durch den harten Boden schleppten wir Steine als Heringersatz heran. Unter einem der Steine versteckte sich eine Wespe welche Chregu prompt stach. Livio musste etwas Chregu verknurren seine Allergiemedis zu nehmen.

Das Znacht kochten wir wieder draussen und realisierten schnell, dass die Strasse doch noch teilweise befahren wurde. Die wenigen Autos interessierten sich aber nicht gross für uns so blieben wir an unserem Platz. Mit dem Eindunkeln gingen wir ins Bett und schliefen bis uns blau/rotes Blinklicht weckte. Wieder einmal Polieibesuch im Zelt. Die Polizisten waren super freundlich und sagten uns, via GoogleTranslate, dass es zu gefährlich sei hier zu zelten, wir sollen ein paar hundert Meter weiter zu einem Restaurant gehen. Wir wollten nicht alles abbauen und fragten nach dem Grund. Es habe Bären war die Antwort. Eher ungläubig gaben wir zurück, dass wir bis jetzt kein Problem gehabt hätten. So fuhren Polizei dann wieder weiter. Livios nächtliche Recherche brachte dann zu Tage, dass wir uns wohl wiklich im bärenreichste Gebiet der Türkei befanden. Das Verhalten der Türken vor Ort zeigt uns, im Vergleich z.b. zu Kanada, dass die Bärendichte nicht dehr hoch sein kann.
So auferlegten wir uns die Vorgabe die nächsten Nächte nahe der Zivilisation zu verbringen.

In Çaykara, dem grössten Dorf des Tales, genossen wir einen Cay, schnabulierten Süssigkeiten und kauften für die nächsten Tage ein, da die Versorgungslage nicht klar war. Vollbepackt folgten wir weiter der D915 in Richtung Süden. Mit dem Abzweiger nach Uzungöl, dem Haupttourismusspot im Tal liess der Verkehr massiv nach und wir konnten auf den steilen Aschnitten die ganze Strassenbreite für Serpentinenfahrten nutzen.


Das Tal hat sehr steile Flanken und immer wieder tauchen Dörfer oder Weiler auf, welche an den Hängen kleben, wo auch Landwirtschaft betrieben wird.
Beim Dorfeingang von Köknar wurde die Strasse schlagartig kleiner und schlechter. So ist sie durch das Dorf meist nur einspurig und ziemlich löchrig. Beim Lebensmittelladen hielten wir an um uns zu organisieren. Es dauerte nicht lange bis wir von den alten Männern in der Cay-Evi, nur wenige Meter daneben, zum Tee eingeladen werden.

Dort konnten wir zwei, allbekannt als französisch-"Genies" ;), unsere Spachkenntnisse unter Beweis stellen, da einer der Männer lange in Paris gearbeitet hatte. Auf unsere Frage nach einem Zeltplatz schickte er mit einer Beschreibung und Kilometerangabe weiter bergwärts. Nach dem angegebenen Kilometer fanden wir ein Strassenbaucamp, auf das ein Teil der Beschreibung passte, aber irgendwie sogarnicht nach Campingplatz aussah wie erwähnt... Wir schauten uns aber um und prompt wurden wir zum Tee eingeladen.

Ein Irani, der sich aufs Züchten von wunderschönen (oder eher furchteinflössenden) Hähne speziallisiert hat, lebt seit einigen Monaten hier als Bewacher oder Betreiber des Baucamps. Nachdem er uns seine Sammlung an Hühnern gezeigt hatte und wir uns für eine Zeltplatz umschauten, übersetzte er uns, dass wir heute seine Gäste seien und so kamen wir zu einem Raum zum schlafen, einer Dusche und Znacht. Ausserdem klärte er, bei weiter oben wohnenden Leuten, für uns ab, ob der Pass nach Bayburt befahrbar ist. Es habe zwar noch Schnee, aber es sei möglich. So genossen wir den Nachmittag vor dem Camp und erholten uns für den nächsten Tag.
Zum Znacht wurde uns, typisch iranisch, eine Mischung aus Rührei, Tomaten und Zwiebeln, sowie Yoghurt mit Gurke serviert. Dazu viel Brot und zum Abschluss natürlich Cay. Wir verabredeten uns für ein frühes Frühstück (Gurke, Tomate, Käse, Sesammuus, Brot).


So kurbelten wir am nächsten Morgen auf der guten trassierten und bis einige Kilometer nach Karaçam auch asphaltierten Strasse bergwärts. Irgendwann wechselte der Belag dann auf Schotter, die Neigung blieb aber recht erträglich.

"Walliser" Häuser

Wir machten schon weit vor dem Mittag eine grosszügige Pause direkt unterhalb des Serpentinenmassaker, wo die Strasse mit 13 Kehren in einem Hang rund 300hm macht.
Die wenigen Autos die wir trafen, waren ganz normale PW's oder Lieferwagen ohne Allrad oder sonstigen Offroadeigenschaften. Von weitem sahen wir auch noch einen Camper, welcher uns aber erst überholt als wir auf der anderen Passseite an unserem Zeltplatz sassen. Ausserdem treffen wir einige Töfffahrer, welche mit ihren Tourenmaschinen den Pass befahren.
Im Vorfeld der Reise stolperte Chregu über diese Strasse, da auf der Karte die Spitzkehren auffallen und war fasziniert davon. Unsere spätere Rechere zeigte dann dass die Strasse im Internet unter den "World deadliests roads" gehandelt wird. Dies vor allem unter den Töfffahren. Berichte über Velobefahrungen hatten wir kaum gefunden. Vor Ort zeigte sich dann aber, dass die Strecke wohl spektaktulär ist, aber mit grundsätzlich rund 6% Steilheit relativ moderat bleibt. (Von einigen wenigen Rampen abgesehen.) Ausserdem fanden wir den Belag in gutem Zustand vor. Meist war der Schotter gut gepresst und der Grip sehr gut. Daher fiel uns das Hochfahren recht einfach. Die häufigen Stopps waren eher den Fotos geschuldet weder der nötigen körperlichen Erholung. Um Livios Knie trotz Bergetappe nicht zu überfordern, verlagerten wir einige Kilo an Gepäck auf Chregus Velo. Livio vermutete sogar, dass wohl noch nie ein so schweres Velo über den Pass gefahren ist.




Auf rund 2000m.ü.M. wechselte die Landschaft wieder auf runde offene Hügel und die Vegetion wurde wieder recht karg. Je näher wir der Passhöhe kamen je mehr Windkraftanlagen tauchten im Blickfeld auf. Offensichtlich wird an einem grossen Windpark gebaut um die vom Schwarzen Meer kommenden Winde in Strom zu verwandeln. Auch war schön sichtbar wie der Vegetationsunterschied zu Stande kommt. Die vom Meer kommenden Wolken lösten sich, ähnlich wie bei uns in einer Föhnwalze, direkt auf dem Pass grösstenteils auf.
Ab etwa einen Kilometer vor der Passhöhe war dann die Strasse wieder asphaltiert. Dies wohl vor allem wegen dem Windpark der gerade noch fertiggestellt wird.

 

Livios Knie machte bis ganz nach oben (zu unserer beiden Erstaunen) gar keine Faxen. Die unvernünftige Entscheidung hatte sich also gelohnt. Nach einer Nudelsuppe aus dem Beutel rollten wir Strasse in Richtung Bayburt hinunter.


Dank Höhenunterschied und Rückenwind erreichten wir den Talboden sehr schnell. Da fanden wir dann auch einen wunderbaren Zeltplatz an einem Bach und verbrachten den Nachmittag im Schatten von Pappeln. Die Suche nach einem Cay im Dorf mehr oder weniger nebenan, ergab dass es dort entweder keine Teestube gibt (sehr unwahrscheinlich), diese geschlossen war (möglich), oder wir einfach zu ungeschickt die an der Strasse sitzenden alten Männer mit ihren Teegläsern zu finden. (Fast sicher)


Der Rückenwind war am Morgen verschwunden, aber auch ohne Windhilfe rollte es recht gut bis Bayburt. Die Stadt liegt am Fluss Çoruh an welchem wir in Artvin schon Tee getrunken hatten. Die ausgesuchte Teestube für den morgendlichen Cay bot auch Glace an, was Chregu, auch morgens um 8 Uhr nicht lassen konnte.

Von Bayburt aus liessen wir uns vom Rückenwind helfen und pedalten so rasch nach Demirözü wo wir an einem schattigen Plätzchen den wärmsten Teil des Tages abwarteten und danach nochmals rund 30km an den Sadakstausee zu fahren. Dort konnten wir wieder einmal baden und den Abend inkl. Sonnenuntergang geniessen,
bis uns, einmal mehr, die Moskitos ins Zelt trieben.


Vom Stausee aus fuhren wir in Richtung Süden. Wie angenommen war bei Günbatur fertig mit Asphalt. Auf einer brauchbaren Schitterpiste kämpften wir uns hoch bis wir auch rund 2000m bei Yarbaşı auf die "grosse" Srasse nach Ercincan gelangten. Diese Strasse wird aktuell gerade neu gebaut und daher fuhren wir weiter auf sehr gemischten Strassenzuständen durch all die verschiedenen Baumaschinen. Wie für die Türkei typisch werden die Strassen massiv begradigt und es wird wenig Rücksicht auf das Gefälle genommen, so verschwinden viele Kurven, es enstehen aber steile Rampen, teilweise einfach gerade die Hänge hoch.

Die Abfahrt nach Ercincan war oben weiterhin Baustelle, aber je weiter wir kamen, je besser wurde die Strasse. Aber vor allem merkten wir den Temperaturanstieg durch die gut 1000hm die wir vernichteten. In der Stadt angekommen war es gerade Zeit für einen ersehnten Kebapteller. Danach quartierten wir uns in einem Hotel ein und genossen die Annehmlichkeiten.